Nach einem tollen Frühstück und einem beeindruckenden Erlebnis mit einem Vogel in einem Käfig hier, der verschieden Klingeltöne von sich gibt und den Ruf „Lecker, Lecker“ von sich gibt (zumindest haben wir es so interpretiert) steht dann bereits unsere Phung da und wir müssen uns sputen, denn unser nächstes Erlebnis steht bevor. Heute ist es geplant in die Tempelanlage von My Son zu fahren, was sowas wie „Schöner Berg" heißen soll. Sie liegt in der Provinz Quang Nam in Zentralvietnam etwa 50km südöstlich von Hôi An und nur wenige Kilometer von der Küste entfernt. Ihre unzähligen Tempel wurden zwischen dem 4. und 14. Jahrhundert von der Cham-Kultur als religiöses und kulturelles Zentrum errichtet, etwa 70 davon sind bis heute als Ruinen erhalten geblieben. Seit 1999 zählt sie als Symbol des hinduistischen Kulturaustausches zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die Cham-Kultur entwickelte sich an der Küste Vietnams etwa ab dem 2. Jahrhundert nach Christus. Der indische Einfluss ist in My Son deutlich zu erkennen. Nicht nur in Kunst und Architektur auch in den Glaubensvorstellungen wurde einiges von Indien übernommen, so zum Beispiel die Verehrung des Hindu-Gottes Shiva. Wir kommen kurz vor 10 Uhr dort an und müssen uns angeblich sputen, denn in Kürze soll in einem der Tempel oder der Anlage eine Tanzdarbietung stattfinden. Wir müssen zunächst in ein Elektromobil steigen und werden dann in ein knapp 2km entferntes malerisches weites Tal vor der Kulisse zweier zerklüfteter Bergketten gebracht. Die Tanzdarbietung hat gerade angefangen, haben wir Glück gehabt. Die Darbietung ist sehr anmutig und stellt die Sitten und Bräuche der Region hier dar. Es ist bereits jetzt schon sehr heiß und wir beginnen unseren Rundgang mit Phung. Die von Farnen, Lianen und Moos überwucherten Bauten inmitten des vietnamesischen Dschungels üben auf uns einen ganz besonderen Reiz aus. Die systematische Erforschung von My Son begann 1899 durch den französischen Archäologen Henri Parmentier. Er lokalisierte 71 Tempel, die er in ein ausgeklügeltes System von 14 Gruppen einteilte und mit Zahlen- und Buchstabenkombinationen versah. In Gruppe A sind hauptsächlich Steinreliefs zu sehen, das Highlight von Gruppe B ist ein eindrucksvolles Tor, Gruppe C zeigt kunstvolle Cham-Motive in den Ziegelwänden und in Gruppe D gibt es den Stelenhof mit den Opfertafeln zu bewundern.
Die rostroten Tempeltürme waren ähnlich der Maya-Bauten in Südamerika auf fugenlos zusammengesetzten roten Backsteinen erbaut. Verzierungen wurden in einem bis heute unklaren Verfahren direkt in den Stein eingraviert. Die Fassaden strotzen nur so vor meisterhaft gearbeiteten steinernen Skulpturen, Ornamenten und Pflanzenranken. Die Tempelanlage diente der Verehrung des Gottes Shiva, der bei den Cham meist unter dem Namen Bhadresvara bekannt war. 4 verschiedene Arten von Gebäuden wurden identifiziert. In den turmförmigen „kalans" hausten die Götter, ein „mandapa" diente als Vorhalle, ein „gopura" als Eingangsturm zu einem ummauerten Tempelkomplex und im „kosagrha" mit Satteldach wurden die Habseligkeiten der Götter aufbewahrt und ihre Mahlzeiten zubereitet. Religiöse Zeremonien wurden auch für die Könige der Cham abgehalten, ebenso wie einige ihrer Herrscher und nationalen Helden in My Son begraben wurden.
Während des Vietnamkrieges wurde auch My Son nicht verschont. Widerstandskämpfer verschanzten sich zwischen den historischen Tempeln und das Gebiet wurde zur „free-fire-zone". Durch den US-amerikanischen Beschuss wurden innerhalb von nur einer Woche insgesamt 50 der etwa 70 erhaltenen Tempel schwer beschädigt oder ganz zerstört. Unter den vernichteten Bauten befand sich auch ein berühmter 24 Meter hoher Turm, in dem kunstvolle Bildnisse von Löwen und Elefanten eingraviert waren. Weitere der 32 Stelen aus dem 5. bis 12. Jahrhundert mit historisch bedeutenden Inschriften in Sanskrit und Cham gingen ebenfalls verloren. Die Bombenkrater sind ebenfalls heute noch sichtbar. Am Wiederaufbau wird zwar gearbeitet, doch die meisterhafte Baukunst der Cham konnte bisher nicht nachgemacht werden. Sobald Mörtel verwendet wurde, führte dies zu Moosbewuchs, der die Tempelanlagen überwucherte.
Wir können nur staunen über die Kunstfertigkeiten zur damaligen Zeit. An einigen Stellen gelangt man auch in die Pagoden hinein, wo noch heute Tempel errichtet sind. Wer hierher fährt sollte unbedingt Wasser mitnehmen, denn es ist wirklich sehr heiß. Unsere in Hue gekauften Hüte leisten nunmehr hier gute Dienste.
Dann geht es mit dem Elektromobil wieder zurück zum Parkplatz. Wir reden mit Phung und sie fragt, ob wir Lust haben hier irgendwo etwas regionales essen zu wollen. Da können wir doch nicht Nein sagen, müssen das ausprobieren. Wir halten auf dem Rückweg in einem Dorf an. Wir bekommen eine Nudelsuppe vorgesetzt, dazu ein dünnes Fladenbrot. Die Suppe ist sehr gut gewürzt. So scharf haben wir noch nicht in Vietnam gegessen wie hier. Auch wenn das Schärfe nicht unbedingt meins ist, so muss ich sagen, dass es doch sehr gut geschmeckt hat. Dann sind wir wieder zurück in unserem Hotel und verabschieden uns von Phung und haben somit den Rest des Tages frei. Das sollte es für diesen Tag aber noch nicht gewesen sein, denn wir lassen uns von unserem Fahrer noch an den Strand bringen und können dort ein bisschen Zeit verbringen und die Seele einmal baumeln lassen. Der Strand ist ziemlich voll, ok – ist halt Touristenhochburg hier. Anschließend nehmen wir uns ein Taxi und fahren zurück zum Hotel. Dann nehmen wir uns die Fahrräder, die zum Hotel gehören und radeln in die Stadt. Es ist mal wieder etwas Zeit etwas zu essen… In einem Laden probieren unsere Frauen die sehr schönen Kleider aus – aber Lust zum Kaufen haben sie nicht. Hoi AN ist auch dafür bekannt, dass man sich hier über Nacht die tollsten Kleider und Anzüge schneidern lassen kann. Da haben die Vietnamesen etwas drauf. Wir suchen uns ein Lokal abseits des Massentourismus, dem man hier leider nicht ganz entgehen kann. Wir sitzen gemütlich und blicken auf das Wasser. Auf dem Rückweg entlang des Wassers kaufen wir uns zwei Lampions und setzen sie ins Wasser, mit einem Wunsch verbunden. Wir schnappen uns dann unsere Fahrräder und radeln zurück zur Unterkunft; Licht braucht man hier nicht, alle fahren sowieso langsam und wie sie halt wollen. Wieder geht ein ereignisreicher Tag zu Ende.